Seit über 200 Jahren wird in Chur Theologie gelehrt – seit 50 Jahren als
Hochschule. Damals wie heute ist das Studium attraktiv, vielseitig,
zukunftsgerichtet.
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«Theologische Hochschule Chur»
Am 23. Februar 1968 wurde das seit 1807 bestehende Theologische Studium des Priesterseminars St. Luzi von der römischen Studienkongregation zur Theologischen Hochschule Chur erhoben.
Ein gewiss
kleines Ereignis in diesem Jahr, das in der Folge als turbulente Wende in die neuere Geschichte
eingegangen ist.
Drei Eckdaten seien zusätzlich genannt:
Am 2. Januar
1968 wurde in Südafrika erfolgreich ein menschliches Herz verpflanzt. Ein Schatten lag über dem
medizinischen
Grossereignis. Der Empfänger war ein Weisser aus der Oberschicht, der Spender ein junger schwarzer
Mann.
Um die
Weihnachtstage 1968 gelang es Menschen erstmals, sich mit einer Rakete in die Umlaufbahn des
Mondes zu
befördern. Die entsprechende Fotografie, welche zur Ikone wurde, zeigte die Erde aus dieser
Perspektive als
eine weissblaue Scheibe im tiefschwarzen Weltall. Man muss zur Erde Sorge tragen. Dieses Anliegen
keimte
damals richtig auf.
Und am
9. Dezember 1968 stellte ein US-Erfinder ein Gerät vor, das die Welt mehr verändern sollte als alle
Proteste des
wilden 68er-Jahres. Er legte den Grundstein für die Entwicklung des Personal Computers mit
Mausklick.
Nun zu unserem
Thema. Nach dem tragischen Untergang des uralten Bistums Konstanz, das vor 200 Jahren für eine
moderne und
menschenfreundliche Seelsorge stand, wurde im frühen 19. Jahrhundert die Zugehörigkeit der
deutschschweizerischen Stände neu geregelt. Obwalden wurde mit anderen Kantonen zum Bistum Chur
geschlagen,
provisorisch, und dabei blieb es bis heute. Eine Liebesheirat war es nie, zumal die Innerschweiz und
Zürich beim
Churer Domkapitel nicht willkommen waren. Viele hierzulande empfanden die für Schweizer
Verhältnisse
grosse geografische Distanz zu Chur auch als wohltuend. «Von ferne sei herzlich gegrüsset …», wurde
für diesen
Sachverhalt
spöttisch das
alte Rütlilied
zitiert. Der Giswiler Pfarrer Josef Wyrsch, ein forscher und origineller Mann, weigerte sich seinerzeit, das
vorgeschriebene Kathedralfest von Chur liturgisch zu begehen. Er erklärte, er habe dem Churer Hof
folgenden
Bescheid gegeben: «Wir feiern es dann in Giswil, wenn ihr uns die Chilbichrapfen schickt.»
Viele Obwaldner Professoren
Aber die Obwaldner Priesteranwärter studierten und lebten meistens im Priesterseminar Chur. Und in
St. Luzi gab
es eine flotte Präsenz aus den Urkantonen. Der Kanton Obwalden lief diesbezüglich zur Hochform auf. In
den 1970er-
und 1980er-Jahren waren gleichzeitig fünf Professoren aus Obwalden – schön auf Gemeinden verteilt –
vollamtlich an
der Theologischen Hochschule in Chur tätig: Josef Pfammatter aus Sarnen, Ernst Spichtig aus Sachseln,
Hans Halter
aus Giswil, Gregor Bucher aus Engelberg und Albert Gasser aus Lungern. Man frotzelte vom «Obwaldner
Hof» in Chur.
Ein Bündner Berufskollege mit etwas unberechenbarem Temperament schleuderte einmal in einem Anflug
von Ärger die
Bezeichnung «Obwaldner Mafia» in die Luft.
Der Ausbau des Priesterseminars zur Theologischen Hochschule bedingte, dass diese nun auch
akademische
Grade verleihen konnte, zuerst das Lizentiat, später auch das Doktorat. Zudem wurden die akademischen
Ausweise
vom Kanton Graubünden staatlich anerkannt, was damals ein starkes ökumenisches Zeichen im
konfessionell
gemischten Kanton war. Der Grosse Rat (das Kantonsparlament) hiess die Vorlage einstimmig gut.
An der Theologischen Hochschule studieren nicht nur Männer und Frauen, sondern seit den 1970er-Jahren
lehren
ununterbrochen auch Professorinnen.
Sr. Maria-Amadea
Kloster Heiligkreuz, Cham
49, Kirchenmusikerin (Orgel B) und Komponistin
Aufbruch, Offenheit und Liberalität
Derzeit kämpft die Theologische Hochschule Chur aus bekannten Gründen mit einem Imageproblem. Sie ist zwar vom bischöflichen Hof nur etwa hundert Meter entfernt. Aber theologisch, spirituell und
kirchenpolitisch trennen Welten die beiden Institutionen.
Aufbruch,
Offenheit und Liberalität haben in Chur eine grosse Tradition. Theologische Flüchtlinge, die wegen
damals mutiger
Publikationen in anderen Bistümern in Schwierigkeiten geraten waren, fanden mit ihren Büchern an
der Churer
Kurie unter Bischof Christianus Caminada (1941–1962) Verständnis und Asyl. Sie hatten auch gute
Anwälte bei
Professoren des Priesterseminars. Als ich in den frühen 1960er- Jahren daselbst studierte, vernahmen
wir schon alles,
was nachher als Ergebnis des Konzils gerühmt wurde. Dazu gehörten: ein intensives Bibelstudium,
Jesus Christus
im Zentrum der Verkündigung, eine befreiende Ethik, die mit Angstkomplexen aus dem Beichtstuhl
aufräumte und
christliche Persönlichkeiten aufrechten Ganges formen wollte. Ferner eine Pastoraltheologie, die auf
die Menschen
differenziert zugeht. Nicht erst seit 50 Jahren, sondern mindestens seit 70 Jahren zählte die
ökumenische
Ausrichtung dazu. Ferner finden sich im Fächerkatalog ein solides Philosophiestudium, fundierte
Kirchengeschichte, sorgfältige liturgische Ausbildung sowie Religionspädagogik auf der Höhe der
Zeit und
Psychologie und Soziologie. Auch die Präsenz von reformierten Dozenten gehört zum Alltag.
All das ist in
Chur nicht am Erlöschen und Verschwinden oder an den Rand gedrängt, sondern es lebt und wirkt
weiter in voller
Blüte und ist durch den mit Unterbrechungen 30 Jahre andauernden Bischofskrieg Gott sei Dank nicht
zugrunde
gerichtet worden. Soweit ich orientiert bin, fehlen zurzeit Studierende aus Obwalden in Chur. (Luzern
hat da natürlich
den geografischen Vorteil.) Da kann man Maturi oder Absolventen/Absolventinnen des
Religionspädagogischen Instituts nur zurufen: Kommt, seht und kostet! Die Sache mit Gott,
verbunden mit
dem Dienst an den Menschen, ist attraktiv und hat Zukunft. Und Chur ist nicht die geringste unter den
Schweizer
Städten.
Text: Albert Gasser, emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der THC
Bibelleseplan für 2019
In den Köpfen vieler Führungspersönlichkeiten scheint Krieg wieder zum fast normalen Mittel der Politik zu werden. Die Beter des Psalms, aus dem die Jahreslosung 2019 «Suche Frieden
und jage ihm nach!» stammt, wissen, dass Frieden anstrengend ist, immer wieder neu gesucht und erarbeitet werden muss. Frieden schafft Beziehungen, schützt Menschen, ermöglicht
Leben und Glück.
Die Bibel verschliesst die Augen nicht vor der Realität und damit auch nicht vor den Schrecken von Kriegen. Die Samuelbücher zum Beispiel, die in diesem Frühjahr im ökumenischen
Bibelleseplan vorgesehen sind, nehmen auch die Opfer in den Blick.
Der Bibelleseplan will Sie auch 2019 wieder bei der friedensfördernden Lektüre der Bibel begleiten.
Der ökumenische Bibelleseplan führt, aufgeteilt in tägliche Leseabschnitte, in vier Jahren einmal durch das Neue Testament und in acht Jahren einmal durch die ganze Bibel. Er enthält
zudem die Lesungen der römisch-katholischen Liturgie sowie die evangelisch-reformierten Predigtperikopen.