Glaubensfragen
Terroristen, Massenmörder, Kriegsverbrecher -alle in den Himmel?
Ganz ehrlich und tief aus dem
Bauch heraus: Das kann ich mir nicht
vorstellen! In meiner Vorstellung
ist der Himmel ein friedlicher Ort voller
Glück. Eine Entschädigung für
all das, was hier auf Erden mühselig
und schmerzlich ist. Ein Ort, an
dem die Letzten die Ersten sein
werden. Ja, und auch ein Ort
der Belohnung. Und an diesem Ort
sollen nun die Opfer auf ihre
Mörder treffen?
Je detaillierter ich mir allerdings
ausmale, wie es wäre, wenn auch
Mörder in den Himmel kämen,
desto offensichtlicher wird, dass mein
Himmel ein von Menschen
gemachter Himmel ist. Mehr noch:
Mein Himmel verläuft in den
Grenzen meiner eigenen
Überzeugungen. Und schon bin ich auf
dem Sprung, mich an die Stelle Gottes
zu
setzen und mich als Richter zu
installieren. Dabei ist es doch
so: Ich glaube viel und weiss gar
nichts. Ich glaube an ein
Leben nach dem Tod, aber eine Gewissheit dafür habe ich nicht. Ich glaube an den Himmel, aber dessen Gestalt kenne ich
nicht. Deshalb kann ich über den Himmel in keiner Weise verfügen. Wie er aussieht, wer ihn bevölkert, ob wir uns dort
begegnen, ob wir uns versöhnen:
Nichts davon liegt in meiner Macht. Nach meinem Glauben ist ganz allein Gott
der Herr über das Paradies.
Aus diesem Glauben ergibt sich allerdings,
dass gerade sogenannte «Gotteskrieger» -
welchen Glaubens auch immer - in Tat und
Wahrheit in abgrundtiefer Gottlosigkeit
gefangen sind, weil sie sich anmassen, über
Leben und Tod zu entscheiden. Weil sie
bestimmen wollen, wer einen Platz im Himmel
verdient hat und wem sie die Hölle bereiten
dürfen. Sie setzen sich
an Gottes Stelle und wollen letztlich Gott los
sein.
Deshalb stelle ich mir vor, wie gerade solch
gottlose Scharfrichter gar nicht in den Himmel
wollen, weil der nicht so aussieht, wie sie ihn
geplant haben. Ein Himmel, in dem jeder
Mensch selig sein kann und darf-, ganz gleich,
woran er geglaubt und wie er gelebt hat - das
muss dem hartgesottenen Fanatiker doch wie
die Hölle erscheinen. Da will er nicht hin.
Aber ich bin schon wieder dabei, den Himmel
mit meiner Fantasie klein zu machen. Also lass ich seine Ausgestaltung fürs Nächste wirklich
sein und hoffe mit möglichst schlichtem Gemüt, dass ich, wo immer ich nach meinem Tod
ankommen werde, diesen Ort als Himmel gemessen darf.
Thomas Binotto
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