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Der Unterschied zwischen Allerheiligen und Allerseelen
An den katholischen Gedenktagen Allerheiligen und Allerseelen gedenken Gläubige der Verstorbenen. In vielen Regionen
werden die Bräuche der beiden Feste vermischt, ursprünglich haben sie aber eine unterschiedliche Bedeutung.
Allerheiligen: Ein Hochfest der
katholischen Kirche
Allerheiligen ist ein
katholischer Feiertag und findet
jedes Jahr am 1. November statt.
An diesem Tag gedenken Katholiken
aller bekannten sowie unbekannten
Heiligen. Traditionell geschieht
das im
Ausgleich
dafür, dass nicht jedem der
frommen Glaubensvertreter ein
einzelner Tag gewidmet werden
kann und außerdem auch diejenigen
bedacht werden sollen, die
niemals offiziell zu Heiligen
erklärt worden sind.
Das Fest existiert bereits seit
dem 7. Jahrhundert. Seit dem 9.
Jahrhundert findet es am 1.
November statt. In katholisch
geprägten Bundesländern ist
Allerheiligen noch heute ein
gesetzlicher Feiertag und wird
auch von der katholischen Kirche
mit speziellen Feierlichkeiten
begangen. Dazu zählen Baden-
Württemberg, Bayern, Nordrhein-
Westfalen, Rheinland-Pfalz und
das Saarland.
Allerseelen im Unterschied zu Allerheiligen
Auf das katholische Hochfest
Allerheiligen folgt am 2. November
der Festtag Allerseelen. Im
Unterschied zu Allerheiligen wird an
Allerseelen der verstorbenen
Verwandten, Freunden und Bekannten
gedacht. Brauch ist es zu diesem
Anlass unter anderem, den Friedhof
zu besuchen, Fürbitten für
Verstorbene zu halten, Grablichter
zu entzünden und Gräber mit frischen
Blumen zu schmücken.
"An diesem Tag wird jener Toten
gedacht, die sich, so nimmt die
Kirche an, in einem
Reinigungszustand befinden und noch
keine volle Gemeinschaft mit Gott
erreicht haben. Für diese Menschen
wird gebetet, um ihnen zu helfen",
so schreibt die Katholische Kirche
in Deutschland auf ihrer
Internetseite. So können sich
Hinterbliebene den Verstorbenen an
diesem Tag besonders nahe fühlen.
Gesetzlich gilt Allerseelen im
Unterschied zu Allerheiligen aber
nicht als Feiertag.
Vermischung der Bräuche
Regional gibt es grosse Unterschiede bei der
Auslebung des Brauchtums. An Allerseelen können
traditionell auch Armenspeisungen, Spenden,
Lichterbräuche und Andachten zu den Festivitäten
gehören. Der Ursprung der unterschiedlichen Bräuche
geht im katholischen Glauben aber auf einen
gemeinsamen Nenner zurück: Katholiken beten an
Allerseelen für die Seelen der Verstorbenen und
vollbringen für sie gute Taten. Zum Beispiel in Form
von Almosen, um ihren Aufenthalt im Fegefeuer zu
verkürzen.
Eigenen Angaben zufolge folgt die evangelische
Kirche in Deutschland (EDK) diesem Gedanken nicht.
Nach dem protestantischen Glauben erlangen Christen
die Errettung ihrer Seele nicht durch gute Werke,
sondern allein durch die göttliche Gnade und ihren
Glauben. Evangelische Gläubige gedenken der
Verstorbenen daher auch an einem anderen Tag, dem
Totensonntag oder Ewigkeitssonntag, der jedes Jahr
vor dem ersten Sonntag im Advent stattfindet. Einen
Tag vor Allerheiligen, am 31. Oktober, findet der
Reformationstag statt, der in einigen Bundesländern
ebenfalls ein gesetzlicher Feiertag ist. Am
Reformationstag gedenken evangelische Gläubige
Martin Luther, der 1517 seine Thesen anschlug und
damit die Reformation in der evangelischen Kirche
Anstoss.
Katholische Seelen- oder Trauerwoche
In vielen Regionen vermischen sich die
Traditionen der beiden aufeinanderfolgenden
katholischen Gedenktage Allerheiligen und
Allerseelen. So nutzen viele Gläubige bereits an
Allerheiligen die Gelegenheit, Friedhöfe zu
besuchen, Gräber zu pflegen oder Familienessen
auszurichten. Das mag unter anderem daran
liegen, dass Allerheiligen und Allerseelen am 1. und
2. November direkt aufeinanderfolgen und hierbei
durch die zeitliche Nähe auch die inhaltliche Nähe
der Feste bestärkt wird. Aufgrund dieser Dopplung
wird zumindest auch die erste Woche des
Novembers als Seelen- oder Trauerwoche
bezeichnet.
Unfassbar große Gemeinschaft
Die Feste Allerheiligen und Allerseelen, die am Anfang der dunklen und kalten Monate stehen, erinnern mich an meine Sterblichkeit. Am Grab geliebter Menschen wird mir bewusst, dass auch ich
dereinst unter der Erde liegen werde.
Die Feste erinnern mich zugleich auch, dass ich Teil einer unfassbar
grossen Gemeinschaft bin, die Zeit und Raum durchwirkt.
Den Raum: Auf der ganzen Welt leben im jetzigen Moment Menschen, die ihre Freude, ihr Tun, ihr Fragen und Scheitern mit Gott in Beziehung setzen. Das Wort «namenlose Heilige» deutet an, dass
viele Menschen in ihrem schlichten Alltag heilig sind, unerkannt von säkularen oder kirchlichen Medien. Ihr Sein rührt mich tief an, weil es mich direkt an Gott, an seine Liebe, Freiheit,
Grossherzigkeit, Schönheit, Demut erinnert.
Die Zeit: Unzählig viele Menschen sind mir auf einem Beziehungsweg mit Gott vorausgegangen. Einige wurden heilig gesprochen, haben in ihrer umfassenden Ausrichtung auf ihren
Schöpfer derart geleuchtet, dass sich das ausgewirkt hat auf die Kraft ihrer Handlungen und auf den Eindruck, den sie bei anderen hinterließen.
Sehr viele weitere wurden nicht heilig gesprochen, gingen ohne viel Aufsehen ihren Weg des Glaubens, treu, aufrichtig, zweifelnd. Ebenfalls sehr viele sind an sich selber, am Leben zerbrochen,
haben gesucht und gerungen, Ausflüchte genommen, weil der Seelenschmerz nicht auszuhalten war. Sie alle gehören zur Gemeinschaft, an die ich denke an diesem Tag.
Wir alle auf dieser Welt werden eines Tages die Gemeinschaft hier auf Erden verlassen, und in die Gemeinschaft eintreten, welche die Zeit durchschritten hat, die in einem «Raum» lebt, für den wir
weder Beweise noch Zahlen - nur Bilder haben.
Diese zwei Gemeinschaften, diejenige aller Menschen, die wie ich auf dieser Welt Gott suchen, und diejenige aller, die ihm auf eine uns nicht sicher bekannte Art schon sehr nahe sind, sie bilden
eine unübersehbare Schar von Gefährtinnen und Gefährten, die mich einschliesst und trägt, in der ich Zuhörer und Beiständinnen finde: in Fleisch und Blut in der hiesigen Realität, unfassbar und
manchmal doch mächtig spürbar in der jenseitigen. Beziehung, Zwiegespräch, Gebet verbindet uns.
Allerheiligen erinnert mich nicht nur an meine Sterblichkeit, sondern daran, dass ich Teil einer sehr großen Gemeinschaft bin, grösser als die Grenzen der sichtbaren Realität. In ihr habe ich Anteil
am ewigen Leben Gottes.
Lea Stocker