Nikolaus – Immer wieder neu
In «Herz Jesu Wiedikon» feiern die polnische
Mission und die Pfarrei gemeinsam
den heiligen Maximilian Kolbe.
Die Unterkirche von Herz Jesu Wiedikon ist
voll an diesem Samstagabend. Die Ikone
eines polnischen Heiligen soll eingeweiht
werden, vom polnischen Weihbischof
Krzysztof Zadarko. Das hat viele
Landsleute angelockt – wie beim Vaterunser
zu hören ist. Zadarko ist in der
polnischen Bischofskonferenz für Migranten
und Flüchtlinge zuständig.
Die Idee, eine Ikone des polnischen Franziskaners
Maximilian Kolbe in der Unterkirche
aufzuhängen, stammt von Gemeindeleiter
Ronald Jenny. Er hat bereits
andere Räume der Pfarrei
mit
Ikonen
versehen.
Kolbe habe er
gewählt,
weil dieser nicht die Nationalität,
sondern die Geschwisterlichkeit betont
habe, so Jenny. Der polnische Franziskaner
sei ein Symbol der Nächstenliebe.
Kolbe wurde im Zweiten Weltkrieg
von den Nationalsozialisten verhaftet,
weil er Flüchtlinge im Kloster aufgenommen
hatte – auch 2300 Juden, wie
Bischof Kadarko sagt. Er tritt damit dem
Antisemitismus-Vorwurf gegen den
1982 Heiliggesprochenen entgegen, der
1941 in Auschwitz umgebracht wurde.
Mit der Ikone wollen Jenny, Zadarko
und der ehemalige Missionar Artur
Czastkiewicz die gute Zusammenarbeit
feiern. «Ich bewunderte, wie weit sich
diese Zusammenarbeit zwischen Pfarrei
und Mission entwickelt hat», sagt
Zadarko. Da sei nicht nur ein Miteinander,
sondern auch ein Füreinander zu
spüren. Zadarko war vor rund zehn Jahren
in der Pfarrei als Missionar tätig.
«Unsere Missionare engagieren sich fast
überall in der Pfarrei», erklärt Ronald
Jenny. Sie leiten Sonntags- und
Werktagsmessen, beteiligen sich an
Erstkommunionfeiern, besuchen
Altersheime – wie auch die in der Pfarrei
beheimateten Priester der tamilischen und
der tschechischen Mission.
So etwa hat Czastkiewicz letztes
Jahr – als Missionar – alle Jugendlichen
der Pfarrei an den Weltjugendtag in
Krakau begleitet. Heute arbeitet er in
Teilzeit als Bischöflicher Beauftragter
für Migrantenseelsorge im Generalvikariat
Zürich und als Pfarradministrator
der Pfarrei Herz Jesu. Neuer polnischer
Missionar ist Gregor Piotrowski.
Am Ende des deutsch und polnisch
gehaltenen Gottesdienstes begeben
sich die polnischen Geistlichen, der
Gemeindeleiter, die Ministranten und ein
Mädchenchor in Prozession zur
Ikone
an der Seitenwand. Der Bischof
segnet
sie, der Mädchenchor singt. Dann zünden
alle eine Kerze für den Heiligen an.
Regula Pfeifer freie Journalistin
Buchtipp
Es
gibt
Prediger,
die
beklagen
sich über
den
Zwang,
jedes
Jahr über
Weihnachten predigen zu müssen. Für Niklaus Peter und Klaus Bartels scheint die
Wiederholung kein Schreckgespenst zu sein.
Bereits acht Mal hat sich der Fraumünsterpfarrer Peter zusammen mit dem Kolumnisten
und Sprachlehrer Bartels in einer Doppelpredigt Nikolaus von Myra genähert, dem
historischen Bischof mit Zivilcourage, den wir fast nur noch als legendären Samichlaus
kennen.
Der Altphilologe Bartels und der Theologe Peter lieben die Sprache und die Schätze, die
in dieser Sprache wohnen. Und deshalb ist ihnen wohl das Wort «erneut» mehr Antrieb
als Schrecken. Immer wieder aufs Neue lassen sie sich auf Nikolaus ein. Und eröffnen
damit auch uns immer wieder neue Zugänge. Dabei wird ausgerechnet an der
ökumenischen Figur des Nikolaus von Myra eine Ökumene sichtbar, die wir heute kaum
mehr pflegen: Der Ökumene von Antike und Christentum. Das klingt nach Humanismus
und humanistisch geprägt ist auch dieses Buch. Zwei Sprach- und Kulturmenschen laden
uns zu einem im besten Sinne kultivierten Dialog ein. Ein Dialog zwischen Texten der
griechisch-römischen und solchen der christlichen Tradition. Ein Dialog zwischen Kultur
und Religion. Ein Dialog aber auch zwischen dem fernen Nikolaus und unserer hiesigen
Existenz.
Suche nach
den
Eselinnen
Die Bibelsammlung von Thomas Markus Meier zeigt einen Querschnitt durch die Geschichte der Bibelillustrationen. Ein Augenschein.
Eine kleine Stube in einem Haus in Obergösgen. Gestelle voller Bücher bedecken zwei Wände, am Boden stehen bräunlich-alte Bände. Hier zeigt sich die Leidenschaft des katholischen
Theologen Thomas Markus Meier. Er sammelt Bilderbibeln. Weit über 100 seien es inzwischen, schätzt er. Die berühmtesten und ältesten Bilderbibeln hat er als Faksimile erstanden. Sie
scheinen echt, mit Flecken und Löchern im Papier. Wunderbar filigrane Malereien oder Zeichnungen sind darin zu sehen.
Der Mann mit grauem Rossschwanz holt ein Buch nach dem anderen. Er schlägt die vermutlich im 6. Jahrhundert entstandene Wiener Genesis auf, eine der
ältesten Bibelillustrationen.
Darin ist die Suche von Abrahams Knecht nach einer Frau für Isaak dargestellt. Auf dem Bild ist eine zweite Frau mit entblösster Brust zu sehen. «In der
Antike hat man jede Quelle,
jeden Fluss mit einer Quellnymphe versehen», erklärt Meier. Davon stehe natürlich nichts in der Bibel.
Im Utrechter Psalter legt der Sammler den Finger auf eine Szene. «Normalerweise ist Jesus in einer Mandorla drin dargestellt», sagt er. «Doch bereits im Jahr
800 zeichnet man einen Jesus,
der aus dem Heiligenschein rausläuft, um in der hiesigen Welt einzugreifen.» In einem Stundenbuch, also einem Laiengebetbuch, macht er auf eine Frau
aufmerksam, die Jesus salbt.
Das sei im Evangelium beschrieben. Ebenso, dass eine Frau Jesu Füsse mit ihren Tränen gewaschen und den Haaren getrocknet
habe. Die kniende Frau werde oft dargestellt, die stehende und salbende fast nie. El Grecos Altarbild ist die farbige Ausnahme. Davon hat Meier eine Kopie
aufgehängt.
Es ist dieser suchende Blick, der Meier zu einem Sammler gemacht hat. Als Pastoralassistent – vor rund 20 Jahren – schrieb er jedes Jahr ein Krippenspiel, das
die Rollenwünsche der Kinder
berücksichtigte. Als sechs Kinder den Esel spielen wollten, hätte er ein Bild von Sauls Suche nach den Eselinnen für eine Projektion gebraucht. Doch erst
Jahre und viele Bilderbibeln
später fand er es – in der ältesten Bibeldarstellung überhaupt, der Quedlinburger Itala.
Seine Sammlung will Meier einer Institution übergeben, um sie öffentlich zugänglich zu machen. Das teuerste Werk aber hat er in seine neue Wohnung
gebracht: Das Speyer
Evangelistar, dank 3D-Druck erstmals im nachgemachten Prachteinband. Und ja: Meier hat selbst Bibelszenen illustriert – letztes Jahr einen Kalender zum 50.
Geburtstag von Bischof Felix
Gmür.
Regula Pfeifer
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