Hat Jesus gefastet?
Auf Schokolade verzichtet hat er nicht, das ist schon mal sicher, denn die Kakaobohne
verbreitete sich erst im 16. Jahrhundert über Südamerika hinaus. Hat sich Jesus dafür andere
Süßigkeiten gegönnt? Und was hat er überhaupt gegessen?
Drei der wichtigsten Grundnahrungsmittel zu Lebzeiten Jesu waren Brot, Wein und
Olivenöl. Mit Gerstenbrot, so erzählt das Johannesevangelium, hat Jesus fünftausend
Menschen gesättigt. Das «tägliche Brot» war grundlegend für das Leben der Menschen. Ja, es
war regelrecht Lebens-Mittel. Auch aus Wertschätzung wurde es nicht geschnitten, sondern
stets gebrochen. Hartes oder fades Brot konnte in Fischsauce getunkt werden, nicht
unähnlich jener, die man heutzutage in Südostasien kennt.
Wein wurde literweise getrunken allerdings in unterschiedlicher Qualität und gewöhnlich
stark verdünnt. Zahlreiche Weinberge säumten die Landschaft. Weinbau hat in Jesu Heimat
eine jahrtausendealte Tradition. Pistazien und Hülsenfrüchte wie Ackerbohnen und Linsen
standen ebenfalls auf dem Speiseplan. Die Ernährung der meisten Leute war hauptsächlich
vegetarisch; Fleisch gab es wenig und vor allem an Festen. Die Süßigkeiten, zu denen Jesus
und seine Zeitgenossen gegriffen haben dürften, sind unter anderem Trauben, Datteln,
verschiedene Feigensorten und Honig.
Nur einmal wird berichtet, dass Jesus gefastet hat: Als er sich noch vor seinem öffentlichen
Wirken für 40 Tage in die Wüste zurückzog. Ansonsten wird vor allem erzählt, dass Jesus gegessen hat. Seine Ernährung an sich war dabei völlig unauffällig. Außergewöhnlich ist
jedoch, wie und mit wem er gegessen hat. Er hat das Essen in Gemeinschaft zelebriert und genossen. Jesus wurde oft eingeladen – oder lud sich auch selbst mal ein. Böse Zungen
bezeichneten ihn als Fresser und Weinsäufer. Ihm aber ging es nicht darum, sich verköstigen zu lassen. Das gemeinsame Essen war integraler Teil seiner Botschaft. Wer sich mit
Jesus zu Tisch begab, der konnte etwas von Gottes Heil schmecken. Der wurde belebt an Körper und Geist. Der wurde Teil einer Gemeinschaft, die nicht ausgrenzt, sondern
eingrenzt, die nicht aufbläht, sondern erfüllt.
Jesus ass mit Freunden und Fremden, Verrufenen und Verrätern. Er gebe sich mit den falschen Leuten ab, hieß es. Das war gefährlich und stieß manchen sauer auf. Ein
Bibelwissenschaftler formulierte einmal prägnant: Jesus wurde umgebracht wegen der Art und Weise, wie er mit den Menschen aß.
Bevor Jesus verhaftet und hingerichtet wurde, sagte er seinen Freunden, dass sie sich an ihn erinnern sollen, indem sie miteinander essen, so wie er es mit ihnen getan hat. Dann
würde er sich ihnen vergegenwärtigen. Es ist also nicht übertrieben, zu sagen: Ohne Essen, kein Evangelium!
Christian Schenker Student der Theologie