Ostern feiern in der Corona-Krise
Hirtenbrief zum Osterfest 2020
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Dieser Hirtenbrief erreicht Sie auf einem anderen Weg, als es sonst üblich ist. Er kann nicht in den Kirchen verlesen werden, weil wir uns
wegen der Coronavirus-Pandemie nicht zum Gottesdienst versammeln können. Wir werden deshalb auch die Gottesdienste der Karwoche und des
Osterfestes in diesem Jahr nicht gemeinsam feiern können. Mich selber schmerzt das sehr und es ist für uns alle ein großer Verlust, das größte
Fest der Christenheit nicht in der gewohnten Weise begehen zu können. Es ist uns ein Verzicht auferlegt, den wir annehmen müssen und fruchtbar
machen können. Das Osterfest 2020 wird einmalig sein und wir werden es alle miteinander nicht vergessen.
Ich möchte Ihnen als Ihr Bischof, als „euer Bruder und Gefährte in der Bedrängnis…und im standhaften Ausharren in Jesus…“ (Offb 1, 9) in dieser schwierigen
Zeit nahe sein und Ihnen mit diesem Brief ein Zeichen der Solidarität und der geschwisterlichen Gemeinschaft im Glauben senden.
Drei kleine Anliegen gebe ich Ihnen für die kommenden Tage mit:
I. Auf Christus schauen
Wir werden jetzt überhäuft mit Nachrichten und Informationen. Die Zahl der vom Virus infizierten Menschen steigt täglich ebenso wie die Zahl der Toten. Ich
selber bin dankbar dafür, dass die Politiker und Wissenschaftler mit aller Kraft nach angemessenen und hilfreichen Lösungen für die von der Krise
betroffenen Menschen suchen. Ich sehe mit Hochachtung und großem Respekt, dass das medizinische Personal oft bis zur Erschöpfung im Kampf gegen die
Krankheit arbeitet. Die Medien erlauben es, dass wir erfahren, wie es um die Kranken und deren Versorgung steht und in welchem Land der Erde sich das Virus
weiter ausbreitet. Plötzlich ist die ganze Welt zu einer Leidensgemeinschaft geworden. Wir erleben eine Globalisierung eigener Art. In diesen Tagen der
Passionszeit schauen wir als Christen besonders auf den leidenden Herrn und seinen Kreuzweg. Wir glauben, dass er schon alles Leid der Welt in seinem Kreuz
angenommen und getragen hat. Darum meine Bitte: Bewahren wir uns in allen – für viele auch beängstigenden Informationen – den tieferen Blick auf Christus.
Die Nachrichten, die Zahlen, die Bilder im Fernsehen in ein kurzes Stoßgebet umwandeln – das sollten wir immer wieder versuchen, zum Beispiel mit dem Ruf,
den wir beim Kreuzweg nach jeder Station wiederholen: „Herr, erbarme dich über uns und über die ganze Welt!“
Wer auf Christus schaut, bewahrt sich die Zuversicht, die den Apostel Paulus im Römerbrief gläubig sagen lässt: „Ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder
Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges…noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist.“
(Röm 8,38)
II.Auf andere Weise gläubig Ostern feiern
Ostern fällt nicht aus. Dem am Beginn der Pandemie manchmal geäußerten Wunsch, das Osterfest zu verlegen, wurde relativ schnell eine Absage erteilt. Wenn
wir uns auch nicht zur Feier der Liturgie versammeln können oder nur durch die Medien daran teilnehmen werden, so bietet sich uns dennoch an den Kar-und
Ostertagen eine Chance, die wir beherzt ergreifen sollten. Gerade in der Karwoche und an Ostern haben wir als katholische Christen ein reiches Brauchtum,
das wir jetzt in den Häusern lebendig werden lassen können. Vieles können wir als getaufte und gefirmte Christen auch ohne den Priester tun und auf diese
Weise das Fest begehen.
Ich schlage Ihnen darum vor:
• Am Palmsonntag stecken Sie einen Zweig an das Kreuz in Ihrer Wohnung und beten dazu das Gebet aus dem „Gotteslob“ Nr. 17, 4. Wenn Sie als Familie zusammen
sind, eignet sich auch das Lied „Singt dem König Freudenpsalmen“ (GL 280), das in den meisten Gemeinden am Palmsonntag gesungen wird.
• Am Gründonnerstag sollte man sich in der Hausgemeinschaft zu einem einfachen Abendessen versammeln und dieses mit einem längeren Tischgebet im Gedenken an
das letzte Mahl Jesu am Abend vor seinem Leiden eröffnen. Es eignet sich dazu der Abschnitt aus der Andacht „Gotteslob“ Nr. 675, 6.
• Der Karfreitag ist ein Fast-und Abstinenztag. Da es keine Kreuzverehrung in den Kirchen geben wird, könnte an diesem Tag in der Wohnung vor dem Kreuz eine
Kerze brennen. Wir können uns allein oder in der Familie mit dem leidenden Herrn verbinden im schmerzhaften Rosenkranz oder im Gebet des Kreuzwegs (GL 683).
• Der Karsamstag – der Tag der Grabesruhe – sollte ein Tag der Stille und des Gebetes besonders für die Opfer der Coronavirus-Pandemie sein. Unsere Kirchen
werden geöffnet sein und Sie können dort sicher am Heiligen Grab einen Besuch machen. Besonders für Kinder kann das ein eindrückliches Erlebnis sein. Unsere
polnischen Mitchristen werden wie immer die Speisen vorbereiten, die für das Ostermahl bestimmt sind.
• Eine Osterkerze darf in keiner Familie fehlen. Sorgen Sie dafür, dass besonders die älteren Gemeindemitglieder eine solche Kerze haben. Die Priester
werden mit einigen wenigen Gläubigen das Osterlicht in den Pfarrkirchen entzünden. Auch ich werde das tun und in einfacher Weise die Osternacht begehen. Am
Ostertag gehört dieses Zeichen der Hoffnung auf den Familientisch zu Hause. Stimmen Sie miteinander ein kräftiges Oster-Halleluja an oder eines der Ihnen
lieb gewordenen Osterlieder aus dem Gesangbuch. So bekennen wir auch in diesem schweren Jahr unsere Hoffnung auf das Leben, auf Erlösung von aller Sünde und
auf Rettung – auch von der Krankheit, die die ganze Welt überfallen hat.
Wenn wir so die Kar-und Ostertage begehen, dann sind sie erfüllt von unserem Glauben und unserer Hoffnung. Ich wünsche und hoffe, dass wir alle 2020 anders
Ostern feiern – dann kann das Fest in diesem Jahr zu einer wichtigen Glaubenserfahrung auch für die Zukunft werden.
III. Den Nächsten nicht aus dem Blick verlieren
Es ist erstaunlich, welche Solidarität jetzt wächst. Junge Menschen gründen Initiativen und bieten sich an, um älteren Menschen zu helfen. Das zeigt etwas
vom Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Dabei sollen wir Christen nicht fehlen. Kirche ist nicht nur Gottesdienstgemeinschaft, sondern immer auch eine
Liebesgemeinschaft, in der die Caritas gelebt wird. Das darf auch jetzt nicht ausfallen. Die Besuchsdienste und Caritaskreise in den Pfarreien bitte ich,
jetzt besonders aufmerksam zu sein und besonders den einsamen und kranken Gemeindemitgliedern Hilfe zu ermöglichen, wo es nötig ist. Manchmal geht es nur
darum, das entsprechende Fernsehprogramm für den Gottesdienst einzustellen oder einen Internetanschluss zu organisieren. Ein anderes Mal ist ein Einkauf
oder ein Weg zu einem Amt eine wichtige Unterstützung. Schon ein kurzer Telefonanruf hilft manchmal, um jemandem ein wenig Angst zu nehmen und Zuversicht zu
verbreiten. Solche kleinen Zeichen der Nächstenliebe sind meist nicht teuer –sie kosten nur etwas Zeit. Aber diese Zeit haben wir jetzt vielfach geschenkt
bekommen, weil manches andere derzeit nicht möglich ist.
Als PDF hier
Text: Wolfgang Ipolt