Pfingstwünsche fürs Bistum
1
Impuls zum Pfingstfest
«Der apostolische Administrator Pierre Bürcher will zuhören.
Darauf setze ich grosse Hoffnungen.»
Denn wenn Pierre Bürcher wirklich allen zuhört, dann wird er
erkennen, dass der vielbeschworene Graben zwischen den Gläubigen im
Bistum Chur in Wirklichkeit ein Graben zwischen einer kleinen
Führungseinheit im Ordinariat und einer überwältigenden Mehrheit im
Bistum ist. Einer Mehrheit, zu der zwei Generalvikare, gegen 80
Priester, fast alle kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die
grosse Mehrheit der Gläubigen – und zwar im gesamten
Bistumsgebiet – gehören.
Der vermeintlich so tiefe Graben zu den vermeintlich so
unkatholischen Gläubigen im Bistum Chur, das alles ist eine gezielte
Inszenierung, die Bischof Vitus Huonder während seiner Amtszeit
mutwillig betrieben hat. Immer heftiger hat er damit fast alle Mitglieder des
Bistums – vom sogenannt konservativen bis zum sogenannt progressiven
Rand – in die Ecke der nicht vertrauenswürdigen Katholiken gedrängt – und ist so
selbst zum Geisterfahrer geworden. Dass er nun seinen Ruhestand
ausgerechnet bei den schismatischen Piusbrüdern verbringen will, kommt einer
Selbstdemaskierung gleich.
Wenn Huonders Entourage die Forderung nach einem neuen Bischof, der
Brücken baut, desavouiert oder gar lächerlich macht, dann gebe ich ihr in Bezug
auf die Überbrückung des real existierenden Grabens recht: Zu dieser
Führung brauche ich tatsächlich keinen Brückenbauer.
Für mich selbst habe ich keine übertriebenen oder gar revolutionären
Erwartungen an einen neuen Bischof. Inzwischen wäre ich schon glücklich, wenn
er mich als Katholiken guten Willens wertschätzen würde. – Für das
gesamte Bistum hoffe ich, dass für die Kirchenleitung «vox populi – vox Dei»
(Stimme des Volks – Stimme Gottes) nicht bloss eine fromme
Predigtfloskel ist.
Text: Thomas Binotto
Kirchenjahr
«Auffahrt Was passiert nach dem Tod? – auf diese Frage gibt es kaum eine konkrete, verständlichere Antwort als jene, die dieses Fest gibt. »
Ich erinnere mich an eine Frau, die ich als
Seelsorgerin über mehrere Monate im Alterszentrum
besuchte. Schwach und alt war sie geworden,
nichts wollte mehr Freude machen, und vor allem: Ihr
Mann fehlte ihr unendlich.
Sie trauerte und weinte, es war, als wäre sie selbst
niemand mehr, seit er tot war. Sie wollte sterben, vor
allem aus diesem einen Grund: Unmittelbar an der
Himmels- türe würde sie ihrem Mann in die Arme
fallen. Wenn alles nichts mehr galt, so war das die
Überzeugung, die sie trug. Felsenfest.
Ich war bewegt und berührt. Gleichzeitig meldeten
sich in mir Fragen: Und was, wenn nicht? Und was,
wenn anders? Gleichen unsere menschlichen
Bilder manchmal nicht eher kindlichen Vorstellungen?
Angesichts des Glaubens der Frau hatten meine
intellektuellen Zweifel keine Bedeutung.
Niemals hätte ich sie damit konfrontiert. Wer bin
ich, das Eine und das Letzte in Frage zu stellen, das
sie trägt? Und ganz einfach und ganz unmittelbar
ist es ja auch meine Hoffnung: dass ich, wenn ich
sterbe, an einen Ort des Friedens gehen darf, zu
Gott und in die Gemeinschaft aller Geschöpfe,
«auffahre in den Himmel» eben, so wie es uns von
Jesus erzählt wird.
Text: Veronika Jehle
Tröstende Anwesenheit Gottes
Pfingsten – das Fest des Heiligen Geistes. Was ist dieser Geist? Wo weht er und
woher kommt er?
Der Ursprung des Geistes ist bis heute ein brisanter Streitpunkt zwischen den orthodoxen Kirchen
einerseits und der katholischen sowie den protestantischen Kirchen andererseits. Ausgerechnet der Heilige
Geist, der die Jünger an Pfingsten zur Verständigung mit allen Nationen befähigte, ist und bleibt
ein Verständigungshindernis. Nicht ungewollt ist von daher die Auswahl einer der ältesten überlieferten
Pfingstdarstellungen als Abbildung zum heutigen Impuls. Sie entstammt dem syrischen
Rabbula- Evangeliar aus dem Jahr 586. Die Darstellungen in dieser Handschrift sind stilistisch an
Vorbilder aus Syrien und Armenien angelehnt. Der Text der Evangelien entspricht der
Übersetzung, wie sie bis heute in der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien gelesen wird.
Der Ursprung des Heiligen Geistes stand im Mittelpunkt des sogenannten
Filioque-Streites, der die Auseinanderentwicklung der Kirchen im Westen und Osten
vorantrieb und einer Einigung noch immer im Wege steht. Ausgangspunkt war
der lateinische Zusatz «filioque» zum grossen Glaubensbekenntnis, der den Text so
veränderte, dass der Heilige Geist nicht mehr nur aus dem Vater, sondern aus
Vater und Sohn hervorgeht. Der Zusatz wurde ohne das Einverständnis der übrigen
vier Patriarchate vom Patriarchen von Rom in das Glaubensbekenntnis
aufgenommen. Abgesehen von diesem Zusatz vereint die katholische, die orthodoxen
und die protestantischen Kirchen das gleiche Glaubensbekenntnis.
Ganz gleich, wie genau sich Gott Heiliger Geist in den einen Gott einfügt, er
ist für alle christlichen Kirchen Lebensspender und die tröstende Anwesenheit
Gottes. Es wäre schön, wenn alle Christinnen und Christen dies irgendwann
wieder gemeinsam feiern könnten – vereint wie die Jünger Jesu, die am Pfingsttag
alle zusammenkamen, um das jüdische Schawuot zu feiern. Ich bin sicher, dann
werden wir wie die Jünger das Wehen des Heiligen Geistes als ein Brausen um uns
spüren. Vielleicht können wir einen ersten Schritt tun und zu Pfingsten auch
einen Gottesdienst in einer unserer Schwesterkirchen besuchen.
Text: Miriam Bastian