Kinder mit Adventstraditionen hinters Licht führen?
Eine Freundin erzählte mir, dass es in ihrer Familie Tradition ist, am 24.
Dezember abends ins Fast-Food-Restaurant zu gehen. Da ich darüber nur
ungläubig den Kopf schüttelte, schickte sie mir an Heiligabend ein Selfie
mit Burger-Menü: Jede Familie hat eben ihre eigenen Traditionen.
Manchmal muss man sich entscheiden, wenn verschiedene zur Wahl
stehen. Weihnachtsmann
und Christkind sind die
klassischen Rivalen in der
Weihnachtszeit.
In meinem Bekanntenkreis hat sich der Weihnachtsmann-Trend
durchgesetzt. Auslöser dafür war das «Wichteltürchen». Kennen Sie das?
Man sucht sich eine Miniatur-Tür im Internet aus, klebt sie an die Wand
und lässt ab dem 1. Dezember einen unsichtbaren Weihnachtswichtel bei
sich einziehen. Der Wichtel bleibt für die Kinder natürlich unsichtbar. Er
hinterlässt jedoch Nachrichten, Rätsel, kleine Geschenke oder sogar
Fußspuren auf der Butter. Ist so ein Gast erst einmal eingezogen,
entwickelt das Ganze bald eine Eigendynamik, stetig angetrieben von leuchtenden Kinderaugen. Ich gebe zu, auch die
Eltern beginnen, den Wichtel, den sie selbst erfunden haben, ins Herz zu schließen. Obwohl ich die Wichtel-Geschichten
zunächst mit gemischten Gefühlen gehört hatte. Ich fand die Vorstellung auch grotesk, die Kinder mit dem kleinen
Weihnachtsmann-Gehilfen hinters Licht zu führen.
Ich habe es drauf ankommen lassen. Nur probeweise bestellte ich im letzten Jahr eine kleine weiße Holztür – und da ich
schon dabei war: einen Mini-Briefkasten, eine Mini-Fußmatte und einen Mini-Besen. Die Kinder staunten nicht schlecht,
als sie am 1. Dezember plötzlich die Türe an der Wohnzimmerwand entdeckten. «Wohnt da eine Maus?», war ihre erste
Reaktion. Ich hatte einstweilen beschlossen, einen Engel bei uns einziehen zu lassen. Er tut dasselbe wie der Wichtel – doch
er erzählt in seinen Nachrichten vom Himmel und von Jesus, der bald geboren wird. Und er ist beschäftigt mit
Gesangsstunden, um das Gloria für Heiligabend zu üben. Über den kleinen Briefkasten konnte meine Tochter Nachrichten
an den Engel schreiben, für ihn Bilder malen und erzählen, was sie sich zu Weihnachten wünscht. Flugs war ein
Briefwechsel entstanden. Ich gestehe: Einige Male hat der Engel sie auch gebeten, ihr Zimmer aufzuräumen. Einige Male
stand jedoch auch ein Keks, ein Becher heiße «Himmelsschokolade», ein Kinderbuch, Grüße vom Nikolaus mit
Süßigkeiten oder ein Vorschlag für einen Familienausflug vor der Tür.
An Weihnachten dann hat der Engel noch ein großes Geschenk hinterlassen, hat seine Tür wieder abgebaut und ist mit viel
Watte davongeflogen: «Bis nächstes Jahr!» – und das ist ja zum Glück nun bald.
Caroline Giovine Pfarreiseelsorgerin in St. Katharina Zürich-Affoltern